Koloskopie: KI-Upgrade steht weiter aus

Die Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) hat in der medizinischen Bildgebung Einzug gehalten. Das große Potenzial maschineller Unterstützung des menschlichen Auges zeigt sich besonders in der Darmkrebsvorsorge: Goldstandard in der Detektion und Resektion von Darmkrebsvorstufen ist die Große Darmspiegelung. Allerdings ist sie in hohem Maße abhängig von der Erfahrung und dem Können des Endoskopikers. Lernfähige Algorithmen können helfen, übersehene Läsionen zu bemerken und damit Intervallkarzinome zu vermeiden, stoßen aber noch auf Grenzen für einen breiten Einsatz.

Seit Beginn des Jahrtausends wird an Systemen zur computergestützten Detektion (CADe) von präkanzerösen Läsionen wie Adenomen und zur computergestützten Diagnose (CADx) geforscht, die bei Endoskopien unterstützen. Auch gibt es Ansätze, bei denen die invasive Gewebeentnahme durch eine optische Biopsie ersetzt werden soll: Hier wird die optische Antwort des Gewebes auf eine Beleuchtung hin gemessen und daraus diagnostische Informationen gewonnen.

Erste Systeme mit „handgefertigten“ Algorithmen auf Basis von wenigen statischen Bildern zeigten eine hohe Genauigkeit von 90 Prozent in ausgewählten Datensets, aber auch geringe Sensitivität, hohe Falsch-Positiv-Raten und lange Verarbeitungszeiten. Künstliche neuronale Netze, also von biologischen Prozessen inspiriertes maschinelles Lernen, soll das ändern.

Erste Ergebnisse aus mittlerweile acht randomisierten klinischen Studien können sich sehen lassen, wie eine aktuelle Übersichtsarbeit1 verdeutlicht: Die Anwendung der KI kann die Effizienz der Endoskopiker in der Detektion und Charakterisierung von Darmkrebsvorstufen verbessern. Allerdings ist die Zahl der teilnehmenden Zentren bislang zu gering und auch die Trainingsdaten der Algorithmen zu überschaubar, um einen Einsatz von KI in der breiten klinischen Praxis zu erlauben. Der Bedarf an großen, multizentrischen randomisierten klinischen Studien zur Anwendung der KI in Echtzeit und Training der KI an „Big Data“ ist hoch.

Obwohl die Synergie zwischen KI und Mensch offensichtlich ist, bleibt ein Problem: Anders als der Mensch kann die Maschine nicht mitteilen, welche Dateneigenschaften genau sie zum Diagnoseergebnis kombiniert. Entsprechend bleibt die komplexe Datendiskussion – ebenso wie das Privileg der diagnostischen Entscheidung – dem Menschen vorbehalten. Vorerst.

Quelle

1. Parsa N und Byrne MF. Ther Adv Gastrointest Endosc 2021; 14:1-12. DOI: 10.1177/26317745211014698

Autor

Dr. Michael Wenzel, Medical Conceptioner
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